Episode Eins
Das helle Licht des neuen Tages brachte gute Nachrichten mit sich, doch Layla fühlte sich nicht so.
Sie war vierzig Minuten zu spät zu ihrem neuen Termin – demselben, für den sie so hart gearbeitet hatte.
„Gott, bitte hilf mir“, betete sie zum millionsten Mal, während sie über die Straße rannte und das große Firmengebäude betrat.
Als sie den Aufzug erreichte, versuchte sie, ihr wildes rotes Haar irgendwie zu zähmen, indem sie mit den Händen darüber fuhr.
Als der Aufzug mit einem *Ding* aufging, holte sie tief Luft und trat hinaus.
Sie war schon einmal hier gewesen – in der größten Filmfirma der Stadt: White Wolf.
Seit sie sich von Jake getrennt hatte, war dies ihr Lebensziel geworden. Nicht nur das – White Wolf zahlte besser als alle anderen Arbeitgeber. In ihrer finanziellen Lage war das die beste Chance, bevor sie auf der Straße landen würde.
Zu ihrem Elend kam hinzu, dass ihre beste Freundin Fey mit einem chronischen Magengeschwür diagnostiziert worden war. Sie brauchte dringend viel Geld, und es gab niemanden, an den Layla sich wenden konnte.
Dieser Job war die Antwort auf all ihre Gebete.
Und jetzt, da sie endlich die Stelle bekommen hatte, konnte sie nicht fassen, dass sie alles durch ihre Verspätung vermasselte.
Warum hatte ihr Wecker sie nicht geweckt?
Sie fragte sich das, während ihr überlastetes Gehirn wieder in den chaotischen Zustand zurückfiel, in dem sie sich all der Gründe erinnerte, warum sie diesen Job so dringend brauchte – wie der Mensch Sauerstoff zum Atmen.
Sie rannte den Flur entlang zum Büro des Abteilungsleiters – dort, wo sie am Tag zuvor ihre Unterlagen abgegeben hatte.
Ohne groß nachzudenken, kam sie zur letzten Tür auf der linken Seite des Flurs und öffnete sie.
„Es tut mir so leid, dass ich zu spät bin. Ich war—“ Ihr Mund blieb offen bei dem Anblick, der sich ihr bot.
Sie war zwar in ein Büro gegangen, aber es war nicht der Abteilungsleiter, der vor ihr saß.
Ein gutaussehender Mann saß auf dem Tisch, die Beine gespreizt – und zwischen ihnen war der Kopf einer Frau vergraben.
So sehr Layla auch wegsahen wollte, sie konnte den Blickkontakt mit dem fremden Mann nicht lösen.
Seine sturmgrauen Augen schienen sie in sich hineinzuziehen. Alles andere verblasste, und seine gesamte Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet.
Er sah aus wie ein Filmstar, mit dunklem Haar, das ihm seitlich über die Stirn fiel.
„Hör nicht auf zu saugen!“, knurrte seine Stimme die Frau zwischen seinen Beinen an.
Da erst realisierte Layla, dass der Mann halb nackt war und die Frau oben ohne – sie gab ihm tatsächlich einen Blowjob im Büro.
Ihre motorischen Sinne kehrten zurück, und sie drehte sich sofort um. „Es tut mir leid! Ich habe nichts gesehen!“, stammelte sie und rannte hinaus, bevor der Mann etwas sagen konnte.
Als sie hinauslief, hielt sie sich das rasende Herz und blickte noch einmal auf die Tür – da erst bemerkte sie, was darauf stand: Präsident.
„Oh mein Gott!“, wimmerte sie und verlor fast das Gleichgewicht.
Hatte sie gerade wirklich ihren Chef beim Oralsex erwischt – an ihrem ersten Arbeitstag?
Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie sich umsah – und schließlich die Tür entdeckte, zu der sie eigentlich hatte gehen wollen.
Sie riss sich zusammen, holte tief Luft und lief zu der richtigen Tür. Dieses Mal klopfte sie sanft, bevor sie sie öffnete.
Der Abteilungsleiter, ein junger Mann Ende zwanzig, hob den Kopf von seinen Papieren und sah sie scharf an.
„Guten Morgen, Sir. Ich bin Layla. Ich war—“
„Sie sind zu spät“, fauchte er und schlug die Akten vor sich zu. Er streckte den Arm aus und blickte auf seine Uhr.
„Fünfzig Minuten zu spät – an Ihrem ersten Tag“, fügte er hinzu.
Layla hätte am liebsten geweint. Es gab keine Ausrede. Es gab keinen Verkehr, nichts Außergewöhnliches – nur die Tatsache, dass sie extrem verschlafen hatte.
Sie war verflucht.
„Es tut mir leid, aber das ist geschäftlich sehr schlecht. Ich denke nicht, dass wir Sie einstellen können … Ich meine, es ist Ihr erster Tag!“, sagte er angewidert.
Ihr Herz sackte ab. Jetzt war sie völlig verloren. Sie fiel auf die Knie und faltete die Hände.
„Bitte, Sir. Ich war überfordert, und ich habe verschlafen … Bitte geben Sie mir eine Chance“, flehte sie, ohne zu wissen, was sie sonst tun sollte.
Tränen sammelten sich in ihren Augen, während sie den Mann anstarrte, hoffend auf eine Antwort.
Der Abteilungsleiter seufzte laut und öffnete dann wieder die Akten vor sich.
„Wir haben die Regel, Mitarbeiter am ersten Tag nicht zu entlassen. Was ich für Sie tun kann, ist: Sie dürfen diese Woche bleiben. Wenn Sie mich beeindrucken, dürfen Sie vielleicht bleiben …“
Layla wollte ihn am liebsten umarmen. Sie sprang auf und trat einen Schritt näher, hielt sich aber zurück.
„Vielen, vielen Dank. Ich verspreche, ich werde zur gleichen Zeit hier sein wie die Reinigungskräfte! Ich werde Sie beeindrucken!“, versprach sie, während ihr Tränen der Freude über die Wangen liefen.
Er nahm einen kleinen Stapel Akten vor sich und reichte ihn ihr. „Hier“, sagte er. „Ich möchte, dass Sie das durchsehen und es mir in spätestens fünfundvierzig Minuten zurückgeben.“
„Okay, Sir“, antwortete sie voller Freude.
Technisch gesehen war es als Strafe gedacht, denn niemand konnte so viele Akten in nur 45 Minuten durchsehen. Doch Layla beschwerte sich nicht.
Sie nahm die Akten und setzte sich in eine Ecke des Büros. Mit Entschlossenheit machte sie sich an die Arbeit und gab sie pünktlich zurück.
Ohne aufzusehen, sagte der Mann: „Gehen Sie in die Kantine und holen Sie mir zwei Tassen Kaffee. Wenn Sie zurück sind, machen Sie mit den nächsten Unterlagen weiter. Sagen Sie einfach, sie sind für Mr. Smith. Die wissen, wie ich ihn mag.“
„Ja, Sir!“, antwortete Layla fröhlich.
Sie sprang auf und verließ das Büro.
Sie musste sicherstellen, dass der Kaffee genau richtig war – damit sie wieder in seiner Gunst stand.
Aber das Pech, das ihr an diesem Tag vorherbestimmt war, war noch nicht vorbei.
Gerade als sie den Kaffee aufnahm und zurück zum Aufzug gehen wollte, rannte sie direkt gegen eine große Wand.
Der Kaffee schwappte über – einiges landete sogar in ihrem Gesicht.
„Guckst du nie, wo du hingehst?!“, brüllte eine Stimme – dieselbe Stimme, gegen die sie gestoßen war – in ihre Ohren.
Und Layla wusste sofort: Sie war wieder einmal dem Untergang geweiht.